Abkürzungen: AN = Arbeitnehmer, AG = Arbeitgeber
Was ist eine Personenbedingte Kündigung?
Bei den Kündigungsgründen unterscheidet man
lt. KSchG §1 Abs.2 zwischen personenbedingten,
verhaltensbedingten, und
betriebsbedingten Gründen.
Personenbedingt sind Gründe, aus denen der AN den Arbeitsvertrag künftig nicht mehr erfüllen kann. Im Gegensatz zu verhaltensbedingten Gründen sind sie nicht vom AN verschuldet. Sie liegen ausschließlich in der Person des ANs, beruhen also nicht auf Veränderungen des Arbeitsumfelds.
Die häufigsten Fälle sind:
-
Dauernde Arbeitsunfähigkeit
Ist der AN aufgrund einer Erkrankung auf Dauer nicht mehr in der Lage, seine Arbeitsleistung zu erbringen, braucht der AG eine darüber hinausgehende erhebliche Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen nicht mehr darzulegen. Die Möglichkeit der Beschäftigung auf einem anderen Arbeitsplatz muss aber auch hier geprüft werden.
-
Lang anhaltende Krankheit
d.h. bei einer Dauer der Krankheit von 1 bis 2 Jahren und wenn zum Zeitpunkt der Kündigung die Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit noch völlig ungewiss ist. Siehe dazu das BAG-Urteil vom 29.04.1999 (2 AZR 431/98)
-
Häufige Kurzerkrankungen
Bei häufigen Kurzerkrankungen rechtfertigen Fehlzeiten unterhalb einer Krankheitsquote von 12 bis 14% pro Jahr in der Regel noch nicht eine Kündigung. Entscheidend ist hier aber nicht in erster Linie die Häufigkeit von Erkrankungen in der Vergangenheit, sondern die Prognose, ob sich diese auch in der Zukunft fortsetzen. Bei unterschiedlichen Krankheiten muss für jede einzelne eine Negativprognose nachgewiesen werden.
-
krankheitsbedingte Beeinträchtigung der Arbeitsleistung
Nur geringfügige Minderleistung führt zu keiner erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen. Bei der Interessenabwägung ist genau zu prüfen, ob die Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen vom AG hingenommen werden muss.
Eine Interessenbeeinträchtigung liegt dann nicht vor, wenn der AN auf einem anderen, seiner verminderten Leistungsfähigkeit entsprechenden Arbeitsplatz weiter beschäftigt werden kann.
Ein von einem Arbeitsmediziner z.B. in einem Gutachten ausgesprochener Rat, die Tätigkeit aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr auszuüben, rechtfertigt keine Kündigung.
-
Suchterkrankungen
Bei Alkohol- oder Drogensucht muss dem Arbeitnehmer die Gelegenheit zu einer Entziehungskur gegeben werden und der Erfolg dieser Kur abgewartet werden (LAG Hamm, Urteil vom 19.09.1986, 16 Sa 833/86). Verweigert der AN jedoch eine Suchttherapie, so kann daraus eine negative Prognose hergeleitet werden.
-
fehlende Arbeitserlaubnis
-
Verbüßung einer längeren Freiheitsstrafe
(Hier kommt evtl. auch eine außerordentliche Kündigung in Frage.)
-
Entzug einer für die Tätigkeit erforderlichen Fahrerlaubnis
-
Kein Grund für eine Personenbedingte Kündigung ist das Erreichen des Rentenalters.
Personenbedingte Gründe liegen also in der Person des ANs, sie sind i.a. von ihm nicht steuerbar, im Gegensatz zur verhaltensbedingten Kündigung ist deshalb eine vorherige
Abmahnung nicht erforderlich.
(Wenn es dem AN aber möglich gewesen wäre, die fehlende Fähigkeit und Eignung zur ordnungsgemäßen Erbringung der Arbeitsleistung wieder herzustellen, weil er z.B. aufgefordert wurde, an Fortbildungsveranstaltungen oder bei Suchterkrankungen an einer Entziehungskur teilzunehmen, ist eine Abmahnung erforderlich.)
Krankheitsbedingte Kündigungen sind immer ordentliche Kündigungen, d.h. die
Kündigungsfristen
sind einzuhalten.
Unter Krankheit versteht man übrigens nicht nur körperliche Gebrechen, sondern auch psychosomatische, seelische Erkrankungen und auch Suchtkrankheiten.
Notwendige Voraussetzungen für eine personenbedingte Kündigung
Nur wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind, ist eine personenbedingte Kündigung zulässig:
-
eine negative Prognose
Zum Zeitpunkt der Kündigung muss auf Grund von objektiven Tatsachen damit zu rechnen sein, dass der AN auch in Zukunft seine Pflichten aus dem Arbeitsvertrag nicht mehr erfüllen kann.
Beweispflichtig ist der AG. Er hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung bedingen. Laut Urteil des Bundesarbeitsgerichts (Aktenzeichen: 2 AZR 431/98), sind für die Prognose die folgenden zwei Jahre zu betrachten.
-
erhebliche Beeinträchtigung der betrieblichen oder wirtschaftlichen Interessen des AGs.
Die betrieblichen Belange werden dann erheblich beeinträchtigt, wenn es durch den AN zu schwerwiegenden Störungen im Betriebsablauf oder zu erheblichen Umsatzeinbußen kommt. Die Auswirkungen auf den Betrieb müssen tatsächlich feststellbar sein, allein die Gefahr reicht nicht.
-
keine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit des ANs auf einem anderen freien Arbeitsplatz in dem Betrieb oder dem Unternehmen, bei der sich die mangelnde Eignung des ANs nicht oder kaum bemerkbar machen würde, gegebenenfalls nach erforderlichen Umschulungsmaßnahmen. U.U. ist es dem AG zuzumuten, den Personaleinsatz umzuorganisieren, wenn er damit einen anderen leidensgerechten Arbeitsplatz für einen erkrankten AN freimachen kann. Die Kündigung eines anderen ANs aus diesem Grund ist aber nicht zumutbar.
-
eine Interessenabwägung muss zugunsten des AGs ausgehen.
Abschließend müssen alle Umstände, die für und gegen die Beendigung des Arbeitsverhältnisses sprechen, gegeneinander abgewogen werden.
Eine Weiterbeschäftigung kann dem AG zugemutet werden, wenn der AN bereits lange ohne Beanstandungen gearbeitet hat, wenn dem AG bereits bei Beginn des Arbeitsverhältnisses die mangelnde Eignung des ANs bekannt war oder wenn sich der AN die Krankheit im Betrieb zugezogen hat. Eine Rolle spielt auch die soziale Situation des ANs (Alter, Dauer der Betriebszugehörigkeit, Unterhaltsverpflichtungen, Schwerbehinderung, Chancen auf dem Arbeitsmarkt) sowie die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Betriebs.
Einen altersbedingten Leistungsabfall hat der AG grundsätzlich hinzunehmen.
-
Auch eine personenbedingte Kündigung muss nach § 1 KSchG sozial gerechtfertigt sein, sie muss verhältnismäßig sein, d.h. der AG darf sie nur anwenden, wenn ihm kein milderes Mittel zur Verfügung steht (Ultima-Ratio-Prinzip). Ein milderes Mittel ist auf jeden Fall eine Versetzung auf einen anderen Arbeitsplatz; evtl. ist die Weiterbeschäftigung des ANs zu geänderten Arbeitsbedingungen möglich, dann wäre eine Änderungskündigung auszusprechen.
Zweifel an der Verhältnismäßigkeit einer personenbedingten Kündigung bestehen fast immer dann, wenn der AG dem AN kein betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) angeboten hat. Andererseits hat das BAG ausdrücklich festgestellt, dass das BEM keine zwingende Voraussetzung für eine personenbedingte Kündigung ist. (BAG, Urteil vom 12.07.2007 Aktenzeichen 2 AZR 716/06)
Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) nach § 84 SGB IX:
Nach
§ 84 Abs.2 SGB IX muss der AG jedem AN (also nicht nur denen mit Behinderung), die länger als sechs Wochen im Jahr arbeitsunfähig sind, ein "betriebliches Eingliederungsmanagement" anbieten.
Sinn und Zweck des BEM ist es nach Möglichkeiten zu suchen, um
- die Arbeitsunfähigkeit zu überwinden und damit Fehlzeiten zu verringern,
- einer erneuten Arbeitsunfähigkeit vorzubeugen,
- den Arbeitsplatz zu erhalten und die Fähigkeiten des ANs weiter zu nutzen.
Sinn des BEM ist es also nicht, Daten zu erheben, die dann dem AG als Grundlage für eine personenbedingte Kündigung dienen. Durch eine entsprechende Vereinbarung kann dieser Missbrauch verhindert werden.
Das BEM wird nur nach Einwilligung und Aufklärung des betroffenen AN durchgeführt. Neben dem AN ist der Betriebsrat und bei Schwerbehinderten auch die Schwerbehindertenvertretung zu beteiligen.
Problem Datenschutz:
Einerseits muss der AG die Gründe für eine personenbedingte Kündigung beweisen, das sind im Fall von krankheitsbedingten Kündigungen persönliche Krankheitsdaten des ANs. Andererseits hat er kein Recht diese Daten zu erheben, danach zu fragen oder sie zu sammeln. Häufig wird aber in sogenannten Krankenrückkehrgesprächen dies dennoch versucht. Selbstverständlich muss der AN dem AG nicht selbst die Informationen liefern, die dieser braucht, um eine personenbedingte Kündigung auszusprechen. Besonders kritisch sind dabei Angaben zur Diagnose und ärztliche Prognosen über den weiteren Verlauf der Krankheit.
(siehe dazu
Was ist eigentlich ein Krankenrückkehrgespräch?)
Allgemeine Voraussetzungen für Kündigungen
Auch die personenbedingte Kündigung fällt unter das Kündigungsschutzgesetz, das Betriebsverfassungsgesetz und bei Schwerbehinderten unter das Sozialgesetzbuch IX u.s.w.
d.h.
-
Wenn ein Betriebsrat besteht, muss dieser
angehört werden. Der BR kann dann innerhalb einer Woche widersprechen.
(BetrVG §102)
-
Für folgende AN besteht ein besonderer Kündigungsschutz:
-
Mutterschutz: Für Schwangere und Mütter bis vier Monate nach der Entbindung ist auch eine personenbedingte Kündigung unzulässig. Eine behördliche Ausnahmegenehmigung ist jedoch möglich. (§ 9 MuSchG)
-
Elternzeit: Für Eltern in Elternzeit und ab acht Wochen vor Beginn ist auch eine personenbedingte Kündigung unzulässig. Eine behördliche Ausnahmegenehmigung ist jedoch möglich. (§ 18 BEEG)
-
Pflegezeit: Der AG darf das Beschäftigungsverhältnis von der Ankündigung bis zur Beendigung der kurzzeitigen Arbeitsverhinderung oder der Pflegezeit nicht kündigen, auch nicht personenbedingt. Eine behördliche Ausnahmegenehmigung ist jedoch möglich. (§ 5 PflegeZG)
-
Schwerbehinderung: Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines schwerbehinderten Menschen durch den AG bedarf der vorherigen Zustimmung des Integrationsamtes (§ 85 SGB IX und folgende). Dies gilt insbesondere für personenbedingte Kündigungen.
Es gilt aber nicht, wenn das Arbeitsverhältnis noch keine sechs Monate besteht (§ 90 SGB IX)
Siehe dazu auch: Schwerbehinderung
-
Betriebsverfassungsorgane: Die Kündigung eines Mitglieds des Betriebsrats ist nur aus wichtigem Grund und nur als außerordentliche Kündigung möglich (§ 15 KSchG). Sie bedarf der Zustimmung des Betriebsrats. Diese kann auf Antrag des AG durch das Arbeitsgericht ersetzt werden. (§ 103 BetrVG) Dieser Schutz gilt auch für die Jugend- und Auszubildendenvertretung sowie für die Schwerbehindertenvertretung (§ 96 SGB IX) und dauert noch ein Jahr nach dem Ende der Amtszeit an.
Ähnliches gilt für die Mitglieder des Wahlvorstands; hier dauert der Kündigungsschutz vom Zeitpunkt seiner Bestellung bis sechs Monaten nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses. Für Wahlbewerber, also alle, die bei einer Betriebsratswahl auf einer Wahlvorschlagsliste stehen, gilt der gleiche Schutz von der Aufstellung des Wahlvorschlags bis sechs Monaten nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses. (§ 15 KSchG)
Der tarifliche Kündigungsschutz für Ältere sowie der Siemens-Jubilarschutz gilt nur für betriebsbedingte Kündigungen, also nicht für personenbedingte.
-
innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung kann
Klage beim Arbeitsgericht gegen die Kündigung erhoben werden.
Verhalten, wenn eine personenbedingte Kündigung droht
-
Für Arbeits-Rechtsschutz sorgen.
-
Gegebenenfalls beim Amt für Versorgung und Familienförderung den Grad der Behinderung (GdB) feststellen lassen. Ab GdB50 ist man Schwerbehinderter und ab GdB30 kann man bei der Agentur für Arbeit Gleichstellung beantragen.
Infos zur Schwerbehinderung
-
Wenn der AG ein Weiterbildungs- oder Umschulungsangebot macht, nur mit wichtigem Grund ablehnen
-
Sich auf besser geeignete freie Arbeitsplätze bewerben. Über diese Bewerbung den Betriebsrat informieren. Eine Ablehnung dokumentieren.
-
Den Betriebsrat - und bei Schwerbehinderten den Schwerbehinderten-Vertreter - informieren, und mit diesen Unterlagen für einen Widerspruch vorbereiten.
-
Personalgespräche nur in Begleitung eines Betriebsrats führen!
( siehe dazu auch Tipps und Tricks zum "Überleben" in Trennungsgesprächen)
Verhalten, wenn eine personenbedingte Kündigung ausgesprochen wurde
-
Gefühle: Schock - Aggression - Selbstzweifel - Zukunftsangst
Was kann man dagegen tun?
-
Zu seinen Gefühlen stehen, sie nicht verleugnen
-
Miteinander darüber reden, Erfahrungen austauschen
-
Aktiv werden: Mit kühlem Kopf die Alternativen prüfen
-
Sich nicht isolieren lassen
-
Sofort einen Rechtsanwalt für Arbeitsrecht aufsuchen und sich beraten lassen. (Die Frist für eine Kündigungsschutzklage beträgt nur 3 Wochen.)
-
Eine Kündigungsschutzklage ist vor allem dann sinnvoll, wenn der Betriebsrat der Kündigung widersprochen hat, denn dann muss i.a. der AG den AN auch nach der Kündigungsfrist noch weiterbeschäftigen bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits.
Eine Kündigungsschutzklage ist oft auch der einzige Weg, eine Abfindung zu erhalten.
Eine Kündigungsschutzklage ist aber vor allem dazu da, um um seinen Arbeitsplatz zu kämpfen.
Links
Zahlreiche Informationen rund um die Kündigung und die Kündigungsschutzklage finden Sie bei
InWaChRo.