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NCI Themen: Korruptionsverdacht bei Siemens
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Samstag, 29.11.2008
Siemens: Rote Karte für KPMG
Mal wieder eine Kündigung durch Siemens, mit der wir einverstanden sind:
Der Siemens-Aufsichtsrat wird der nächsten Aktionärs-Hauptversammlung (27.1.2009) vorschlagen, den Wirtschaftsprüfer zu wechseln. Statt der KPMG soll nun das weltweit tätige Prüfungs- und Beratungsunternehmen Ernst & Young die Wirtschaftsprüfung bei Siemens übernehmen. Ernst & Young gehört ebenso wie KPMG zu den "Big-Four-Prüfungsgesellschaften".
Begründung diese Entscheidung: "Bei der Entscheidung für Ernst & Young als neuen Abschlussprüfer hat letztlich den Ausschlag gegeben, dass Siemens mit einem Wechsel des Abschlussprüfers ein Signal im Sinne einer bestmöglichen Corporate Governance setzen möchte". KPMG wird im Zusammenhang mit dem Siemens-Korruptionsskandals vorgeworfen, bei den "Schwarzen Kassen" "nicht so genau hingeschaut zu haben", was KPMG natürlich bestreitet.
Dieser weitere Schritt in Richtung Neuanfang kommt etwas spät, aber vielleicht der SEC gerade noch früh genug, die gerade über die Höhe der Strafe für Siemens nachdenkt. (Siemens selbst rechnet mit einer Milliarde Euro.)
www.ftd.de
(rk)
Donnerstag, 20.11.2008
ergänzt am 23.11.2008
Kurzer Prozess
Überraschenderweise schon am zweiten Verhandlungstag gab es im zweiten Siemens-Korruptionsprozess die Urteile, und zwar für Heinz Wolfgang K. zwei Jahre Freiheitsstrafe auf Bewährung und für Wolfgang R. neun Monate Haft ebenfalls zur Bewährung. Hinzu kommen noch Geldstrafen von 12.000 bzw. 20.000 Euro. Verurteilt wurden sie u.a. wegen Beihilfe zu Untreue und Beihilfe zur Bestechung ausländischer Amtsträger.
Pressemitteilung der Justiz
www.focus.de
(rk)
Dienstag, 18.11.2008
Umfassende Geständnisse im zweiten Siemens-Korruptionsprozess
Heute begann vor der 5. Strafkammer des Landgerichts München I der zweite Siemens-Korruptionsprozess gegen Heinz Wolfgang K. und Wolfgang R., zwei Mitarbeiter des Angeklagten aus dem ersten Prozess Reinhard S.
Der NCI-Gerichtsreporter war wieder dabei.
Dieser aktuelle Prozess wird wohl in jeder Hinsicht eine Nummer kleiner ausfallen als der erste. Der große Saal war von einem Mordprozess belegt, aber die zehn Journalisten und etwa genau so viel weitere Zuschauer fanden auch im kleineren Saal Platz. Richter Noll: "Das ist ja heute richtig leer." Nur drei Foto-Journalisten, keine Fernsehteams.
1 Stunde 45 Minuten dauerte das Verlesen der Anklageschrift durch die Staatsanwältin, etwa eine Stunde davon flogen den Zuhörern detaillierte Daten zu sämtlichen Überweisungen Richtung schwarze Kassen um die Ohren, wahrlich nicht vergnügungssteuerpflichtig. Inhaltlich alles aus dem ersten Prozess bekannt.
Neu gegenüber dem ersten Prozess: Es ging auch um die Verwendung der schwarzen Kassen, nämlich um Bestechungen u.a. in Nigeria und Russland. So lautet die Anklage auf Untreue und Bestechung.
Nach dem Verlesen der Anklageschrift zog sich das Gericht zur Beratung zurück und holte dann nach einiger Zeit auch die Anwälte und die Staatsanwältin hinzu. Anschließend verkündete der Richter (nein, noch nicht das Urteil!), dass man, wenn die Angeklagten ein umfassendes Geständnis abgeben, ihnen eine Strafobergrenze von einem Jahr für R. bzw. zwei Jahren + Geldstrafe für K., Freiheitsstrafen ausgesetzt zur Bewährung, zusichern könne.
Beide Angeklagten räumen daraufhin ein, dass alles, was in der Anklage steht, richtig sei. R. fügte seinem Geständnis hinzu, das sei alles zum Wohle der Firma geschehen, desgleichen K., der auch noch meinte, es hätte dem Erhalt der Arbeitsplätze gedient. Darauf der Richter: "Die gingen dann aber trotzdem verloren."
Nachmittags wurde dann noch der rechtskräftig verurteilte ehemalige Vorgesetzte der beiden, R.S., als Zeuge vernommen. Auch er bestätigte im wesentlichen alles. Nebenbei berichtete er von einem Treffen mit dem ehemaligen Com-Chef Thomas G., bei dem S. einen kleinen Zettel dabei hatte mit allen damals laufenden Schmiergeldzahlungen. Er hatte die Absicht G. dazu zu bringen, diese stark zu reduzieren, weil sie nicht mehr zu finanzieren und illegal seien. Es gab aber anschließend keine Reaktion in diese Richtung. Auch der Zettel ging leider verloren.
Ach ja, noch was: Der für morgen als Zeuge geladene Michael Kutschenreuter macht als ebenfalls Beschuldigter von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch und wird nicht aussagen. Nicht gerade überraschend.
Presseartikel:
www.sueddeutsche.de
www.zeit.de
(rk)
Sonntag, 16.11.2008
Neuer Ärger für Siemens wegen Uralt-Schmiergeldzahlungen?
Wie der Spiegel berichtet, fordert ein iranischer Geschäftsmann vor dem Schiedsgericht der Internationalen Handelskammer (ICC) von Siemens 75 Millionen Euro Schadensersatz. Es geht um ausstehende Provisionszahlungen beim Bau des Kernkraftwerks Buschehr.
Insgesamt hatte Siemens dem Geschäftsmann, seinerzeit einer der engsten Vertrauten des Schah, eine "Provision" in Höhe von 200 Millionen Euro zugesagt, um vor Ort "ein vorteilhaftes Geschäftsklima" zu schaffen.
Peinlich für Siemens: In der Klageschrift steht auch etwas über die Hintergründe der Zusammenarbeit des Iran mit Siemens: Irans Absicht sei es gewesen, außer dem "zivilen nuklearen Programm" auch "militärisches Nuklear-Know-how" von Siemens zu erhalten.
Bleibt noch zu erwähnen, dass der spätere Siemens-Vorstandsvorsitzende Heinrich von Pierer zeitweise als Kaufmann für das Projekt mit verantwortlich war. - Ach ja, und dass Siemens heute alles abstreitet.
Um wesentlich jüngere und deshalb strafrechtlich relevante Schmiergeldzahlungen geht es übrigens im zweiten Siemens-Korruptionsprozess ab Dienstag 18.11.2008 vor dem Münchner Landgericht.
(rk)
Mittwoch, 1.10.2008
Fernsehtip: Der Fall Siemens
Am Mittwoch, 1. Oktober gibt es im ZDF um 00:35 Uhr (also in der Nacht vom 1.10. auf den 2.10.!) die Sendung:
"Der Fall Siemens: Der Konzern und die Korruption"
mehr: dokumentation.zdf.de
(gm)
Jetzt noch online in der ZDF-Mediathek.
Montag, 16.6.2008
Siemens-Vorstandsmitglied Joe Kaeser: "Eine kapitale Degeneration des Rechtsempfindens"
Der Leiter Corporate Finance der Siemens AG Joe Kaeser sagte heute im Siemens-Korruptionsprozess als bislang prominentester Zeuge aus. Deshalb waren auch wieder Fernsehkameras und Fotoreporter anwesend: Joe Kaeser durfte etwa zehn Minuten in die Kameras lächeln...
Anschließend wies er jegliche Mitwisserschaft am der Korruptionsgeschehen bei Siemens von sich: In seiner Zeit als Mitglied des Bereichsvorstands bei ICM habe er mit "Schwarzen Kassen" nichts zu tun gehabt, das Thema war ihm völlig fremd. Als er im November 2006 damit konfrontiert wurde, war er sehr bestürzt. Auch den Angeklagten Reinhard S. habe er erst aus der Presse kennen gelernt. "Ich hätte mir gewünscht, dass Herr S. den Kontakt mit mir gesucht hätte, dann hätte ich Siemens großen Schaden erspart. Dieses System der "Schwarzen Kassen" sei "eine kapitale Degeneration des Rechtsempfindens".
Auf Fragen der Staatsanwältin bestätigte Kaeser die Gesamtsumme der fragwürdigen Zahlungen von 1.3 Milliarden Euro. Als der Verteidiger fragte, wie es sein kann, dass Barauszahlungen in Millionenhöhe an eine einzelne Person der ihm unterstellten Revision und Contolling nicht aufgefallen seien, bekam er die für ihn ziemlich offensichtlich unbefriedigende Antwort, die Organisation bei Siemens sei "stark fragmentiert" gewesen, d.h. dezentral, das lief alles bei den Regionalgesellschaften ab.
Auf die sehr interessante Frage, um wie viel sich der Umsatz durch diese "Beratungszahlungen" erhöht habe, antwortete er: das sei nur Spekulation.
Informationen zum Siemensprozess:
Weitere Sitzungstermine sind vorerst für den 18. und 20. Juni und für den 14., 17, 23., 24., 28. Juli angesetzt. Die Sitzungen finden im Saal B173/I statt. Beginn jeweils 9h30. (Aktenzeichen: 5KLs 563 Js 45994/07)
(rk)
Freitag, 13.6.2008
Von Pierer sagt doch nicht im Siemens-Korruptionsprozess aus
Tja, zu früh gelobt: Nun folgt Heinrich von Pierer doch noch errötend den Spuren seiner ex-Kollegen Ganswindt und Neubürger, und verweigert ebenfalls seine (für den 20.6. vorgesehene) Zeugenaussage im laufenden Schmiergeldprozess.
Dieses Recht auf Aussageverweigerung hat er, weil gegen ihn ein Ordnungswidrigkeits-Verfahren läuft (die Münchner Staatsanwaltschaft verdächtigt ihn, seine Aufsichtspflicht als Vorstandsvorsitzender und nachher auch als Aufsichtsratsvorsitzender bei Siemens vernachlässigt zu haben).
Errötend wenn auch reichlich spät folgt er nun auch den Spuren seines Nachfolgers Löscher, indem er zumindest andeutungsweise Verantwortung übernimmt: "Wahrscheinlich hätte ich deutlicher sagen sollen, dass ich die politische Verantwortung trage für diese Dinge, die während meiner Amtszeit geschehen sind", sagte er der "Zeit".
Ja, in der Tat, das kann man so sehen - gut erkannt, wenn auch wie gesagt reichlich spät. "Mehr könne er nicht tun", heisst es noch in der SZ vom 12.6. - doch, könnte er, wahrheitsgemäß vor Gericht aussagen nämlich. Könnte er, will er aber nicht.
Was tief blicken lässt: Keine Aussage ist auch eine Aussage.
Informationen zum Siemensprozess:
Weitere Sitzungstermine sind vorerst für den 16., 18. 20. Juni und für den 14., 17, 23., 24., 28. Juli angesetzt. Die Sitzungen finden im Saal B173/I statt. Beginn jeweils 9h30. (Aktenzeichen: 5KLs 563 Js 45994/07)
(cnn)
Dienstag, 10.6.2008
Reinhard S.: ICN-Personalchef Dr. Matthias B. ließ Fieber und Mayer bespitzeln
Am Rande des "Siemens-Prozesses" gegen Reinhard S. am Münchner Landgericht, bei dem es um die "Schwarzen Kassen" bei Siemens geht, berichtet am Montag der Angeklagte auch, dass er 2003 für den damaligen ICN-Personalchef Dr. Matthias B. 40 bis 50 Tausend Euro an eine Detektei überwiesen habe. Dies sei aber nicht über die "Schwarzen Kassen" abgewickelt worden, sondern auf dem ganz normalen Weg.
Dr. B. habe den damaligen Betriebsratsvorsitzenden Heribert Fieber und dessen Stellvertreter Leo Mayer, beide IG Metall, bespitzeln lassen. Dr. B. sei deshalb zu ihm gekommen, weil er über seine "Nebenaufgabe" bescheid wusste!
Ziel der Bespitzelungsaktion sei es gewesen, Fieber und Mayer ein Fehlverhalten nachzuweisen und dadurch ihre Position zu schwächen. Beide Betriebsräte hatten sich bekanntlich gegen den Abbau von Arbeitsplätzen bei ICN mit großem persönlichen Einsatz erfolgreich zur Wehr gesetzt.
Dr. B. ist mittlerweile Personalchef des Handelskonzerns Arcandor. "Herr B. will sich derzeit nicht äußern, da dieses ein laufendes Verfahren ist", sagte ein Arcandor-Sprecher.
Quellen:
de.biz.yahoo.com
de.reuters.com
(rk)
Montag, 26.5.2008
Erster Prozess zur Siemens Korruptionsaffäre hat begonnen - NCI war dabei
Auch als erfahrener NCI-Gerichtsreporter bei Siemens-Prozessen musste man sich heute an einiges Neue gewöhnen: Statt mit der U2 zum Hohenzollernplatz ging's diesmal mit der U1 zum Stiglmaierplatz, Justizgebäude Nymphenburger Straße 16 (Landgericht München I). Ich hatte damit gerechnet, dass der Zuschauerandrang enorm sei, anscheinend auch die Polizei, denn es waren Absperrgitter aufgestellt wie bei einer mittleren Demo. Aber sogar noch eine Viertelstunde vor Beginn war es ganz ruhig, wenn man von einigen Fernsehteams absieht, die gelangweilt herumstanden; so ging ich also rein. Auch das gab's in der Winzererstraße nicht: Sicherheitskontrollen wie am Flughafen, vielleicht sogar noch etwas penibler.
Den extra aufgehängten Wegweisern zum Siemens-Prozess entlang ging ich zum Zuschauerraum, hoch oben in der Empore über dem "Schwurgerichtssaal". Es gab zu meinem Erstaunen noch genug Plätze, etwa 35 Zuschauer habe ich gezählt, da waren wir in der Winzererstraße auch schon mal mehr.
Unten war schon einiges los: Der Angeklagte, Reinhard S. stand bei seinen zwei Anwälten, zwei Fernsehteams machten ihre Aufnahmen und etwa sieben Fotoreporter veranstalteten ein Blitzlichtgewitter. Die übrige Presse saß wohl auch unten im Gerichtssaal, von den Zuschauern nicht einsehbar. Zwei Justizbeamte brachten sieben Aktenordner und legten sie auf den RIchtertisch, die Fotoreporter nahmen diese gleich ins Visier.
Relativ pünktlich erschien das Gericht: Der Vorsitzende, zwei Beisitzer und zwei Laienrichter. Der Vorsitzende begrüßte die Anwesenden, auch er war über die geringe Zahl der Zuschauer erstaunt: "Ist ja schön, dass wir alle unterbringen konnten."
Nach den Angaben zur Person wurde von einer der beiden Staatsanwältinnen die Anklageschrift verlesen: 33 Seiten in 65 Minuten. Sie beschrieb die anfängliche Verschleierungs-Konstruktion mit den Konten in Salzburg und Innsbruck und dann die "Verfeinerung" des Systems durch S., nachdem man Siemens wegen Zahlungen an Nigeria (beinahe) auf die Schliche kam. Es wurden "Scheinberaterverträge" mit mehreren extra dazu gegründeten Firmen abgeschlossen, in 58 Fällen, und zu jedem dieser Fälle kam von der Staatsanwältin stereotyp wiederholt das "... wie von Anfang an klar war, sollten diese keinerlei Leistung erbringen und waren dazu auch gar nicht in der Lage. Der Vertrag diente lediglich zur Generierung von Geldern." Diese Gelder dienten aber letztendlich als Schmiergelder. Zu jedem dieser Bestechungsvorgänge gab es ein "Anforderungspapier", die von den Anfordernden nicht direkt unterschrieben wurden sondern auf einem aufgeklebten gelben "Post-it"-Zettel, um ihn bei einer drohenden Razzia schnell wieder entfernen zu können.
Es gab offensichtlich keinerlei Kontrolle, S. konnte das Geld verteilen nach seinem Gutdünken. Nicht jeder, der etwas anforderte, bekam es in der gewünschten Höhe. S. war nur der Erzeuger, Organisator und Verwalter der "Schwarzen Kassen", er hat anscheinend nie selbst bestochen. Darum lautet die Anklage auch "nur" auf Untreue §266 StGB. Gesamtsumme in diesem Prozess 53 Millionen Euro. (Insgesamt geht es ja um dubiose Zahlungen von 1,3 Milliarden Euro, also kommt da in weiteren Prozessen noch einiges auf diverse Beschuldigte zu.)
S. schilderte nun zunächst ausführlich seinen Werdegang und dann die Vorgänge aus seiner Sicht. Den Auftrag zur Bildung der "schwarzen Kassen" hätte er von Kutschenreuther bekommen, dieser wiederum wurde von W., dem Leiter der Compliance-Abteilung (!), dazu aufgefordert, die Konten in Österreich stillzulegen und das auf eine andere Weise zu bewerkstelligen. S.: "Der gesamte Bereichsvorstand war natürlich informiert." Auf Nachfragen bestätigte S., dass es nach seiner Kenntnis bei Siemens (damals) keinerlei diziplinare Konsequenzen bei "Compliance-Fällen" gab. S. gibt die Existenz der "Schwarzen Kassen", wie sie in der Anklage geschildert werden, auf Nachfrage des Vorsitzenden "grundsätzlich" zu.
S. gab an, man war sich einig, dass man, nachdem 1998 Korruption im Ausland strafbar wurde, dieses Thema runterfahren müsse, aber ein ICE kommt bei einem Tempo von 250 auch nicht sofort zum Stehen. es gab ja Absprachen mit einer Laufzeit von mehreren Jahren und Absprachen nicht einzuhalten sei in manchen Ländern lebensgefährlich.
Mit der Mittagspause beendete ich zunächst meine Teilnahme an der Verhandlung. Weitere Sitzungstermine sind vorerst für den 28. und 29. Mai, 2., 5., 9., 12., 16., 18. 20. Juni und für den 14., 17, 23., 24., 28. Juli angesetzt. (Der Auftritt von Heinrich von Pierer wird für den 20.6. erwartet.) Die Sitzungen finden im Saal B173/I statt. Beginn jeweils 9h30. (Aktenzeichen: 5KLs 563 Js 45994/07)
Weitere Berichte gibt es z.B. hier:
www.welt.de
www.ftd.de
www.spiegel.de
www.sueddeutsche.de
(rk)
Samstag, 10.5.2008
Nur ein Knöllchen?
Auch in den Pfingstausgaben der Tageszeitungen ist Siemens in den Schlagzeilen:
Die Staatsanwaltschaft München hält das Verhalten Heinrich von Pierers in der Siemens-Schmiergeldaffäre nicht für strafwürdig: Es gebe "keine zureichenden Anhaltspunkte für ein strafrechtlich relevantes Verhalten". Von Pierer war kürzlich im Zusammenhang mit einem Staatsauftrag in Argentinien vorgeworfen worden, er habe zwei Manager zu Schmiergeldzahlungen angehalten. Anscheinend konnte er die Staatsanwälte von seiner Version überzeugen: Alles nur ein Missverständnis! Na gut, auch für den ehemaligen Siemens-Vorstandsvorsitzenden gilt "In dubio pro reo".
Gegen ihn und andere frühere Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder ist aber im Zusammenhang mit dem Schmiergeldskandal ein Ordnungswidrigkeitsverfahren eingeleitet worden. Es geht dabei um den §130 Ordnungswidrigkeitengesetz (OWiG): Verletzung der Aufsichtspflicht in Unternehmen. Die hier angedrohte Geldbuße bewegt sich - anders als bei Parkverstößen - im Bereich bis zu einer Million Euro. "Aktive Vorstände und Aufsichtsräte sind von diesem Verfahren nicht betroffen", hieß es weiter in einer Presseerklärung der Staatsanwaltschaft.
Aus mehreren Zeugenaussagen ergibt sich, dass von Pierer in diese Dingen nicht ganz so ahnungslos war, wie er immer behauptet hat. Aber auch, wenn er nichts "Definitives" gewusst haben sollte, er hätte alle "durchführbaren und zumutbaren organisatorischen Maßnahmen" ergreifen müssen, die zur Verhinderung von Straftaten erforderlich sind.
Wirklich freuen wird sich HvP über diese Entscheidung der Staatsanwaltschaft wohl kaum, denn nun kommt neben dem Bußgeld schneller als gedacht neues Ungemach auf ihn zu: Der Aufsichtsrat lässt z.Z. durch die Anwaltskanzlei Hengeler Müller prüfen, ob die "alten" Vorstände auf Schadenersatz nach §93 Aktiengesetz (AktG) verklagt werden können, ja müssen, denn einen Ermessensspielraum hat der Aufsichtsrat dabei kaum, will er sich nicht selbst der Gefahr einer Schadenersatzklage nach §106 Aktiengesetz (AktG) aussetzen.
Und Schaden gibt es genug: mindestens 1.3 Milliarden an Schmiergeldern, bisher 1.8 Milliarden an Kosten für Ermittlungen und Bußgelder. Dazu kommt ziemlich sicher noch ein an die amerikanische Börsenaufsicht SEC zu zahlendes Bußgeld, das üblicherweise höher als das gezahlte Schmiergeld ausfällt, vom wirtschaftlichen Schaden durch Imageverlust ganz zu schweigen.
Der Imageverlust von HvP selbst ist längst Tatsache, sein Versagen ist offensichtlich: Ganz egal, ob er von dem System der schwarzen Kassen in "seinem" Unternehmen wusste, in diesem Fall hätte er dagegen nachdrücklich einschreiten müssen, oder nicht, dann hat er die nicht effektive Kontrolle zu verantworten, es kann ja schließlich nicht sein, dass da einfach mal eine Milliarde "verloren geht".
Quellen:
www.ftd.de
www.sueddeutsche.de
(rk)
Sonntag, 9.3.2008
Siemens-Korruptionsaffäre: Blaues Auge für Ganswindt?
Thomas Ganswindt scheint nochmal mit einem blauen Auge davonzukommen, ohne Anklage und weiteren Knast (in U-Haft war er ja schon).
Laut SZ soll er sich mit einem „bestimmten Betrag“ an gemeinnützige Organisationen freikaufen. Ausgerechnet bei einer Korruptionsaffäre klingt das wie eine Bestätigung: Wenn Du nur an die richtige Adresse den richtigen Betrag überweist, erreichst Du was Du willst. Geld regelt alles. Begründung ist die angeblich geringe Schwere der Schuld; er habe zwar von Schmiergeldern gewusst, aber nicht selber mitgemacht sondern nur nicht „flott genug durchgegriffen“. Nett formuliert.
Er sei wegen der Com-Ertragslage unter Druck gestanden, habe „regelrechte Wutausbrüche“ (für die er eigentlich selber bekannt war!) über sich ergehen lassen müssen und zwischen Pest & Cholera entscheiden müssen: Die illegalen Praktiken abstellen und dadurch Aufträge verlieren und Com gefährden, oder wegschauen. Der Arme habe sich dabei „ziemlich beschissen“ gefühlt; das haben wir auch, als er uns Anfang 2003 (ebenfalls rechtswidrig) gekündigt hat...
Wenn allerdings alleine die Tatsache, dass ein Manager unter Erfolgsdruck stand, schon ausreicht, bei Korruption eine nur geringe Schwere der Schuld zu erkennen, dann ist Korruption wohl generell wieder zum Kavaliersdelikt abgewertet.
(cnn)
Montag, 10.12.2007
Deal bei Kündigungsschutzprozess – Schlüsselfigur packt zur Siemens-Korruptionsaffäre aus.
Manche von uns mögen ja aufgrund eigener Erfahrungen mit jedem, der einen Kündigungsschutzprozess gegen Siemens führt, eine gewisse Solidarität fühlen; wenn nun allerdings Albrecht Schäfer einen Vergleich mit Siemens erzielt hat, der darin besteht dass Siemens seine Kündigung zurückzieht und er im Gegenzug sich bereit erklärt, "auf freiwilliger Basis" an der umfassenden Aufklärung der Korruptionsvorgänge mitzuwirken, so ist das nicht ganz geruchsfrei. Sicher ist es gut und richtig wenn diese Dinge nun endlich geklärt werden; aber: Wenn ein (ehemaliger) Antikorruptionsbeauftragter seinen Job wirklich machen würde, dann würde er von Anfang an diese Dinge aufgedeckt haben, und nicht erst nach Kündigung und Vergleich von seinem Anwalt verkünden lassen "wir legen alles weitere dann vor, wenn wir es für richtig halten".
(cnn)
Mittwoch, 21.11.2007
Siemens-Korruptionsskandal: Endlich wird auch die andere Seite der Medaille aufgedeckt
Man kann den Korruptionssumpf nicht austrocknen, ohne auch diejenigen, die rechtswidrig die Hand aufhalten, am Schlafittchen zu packen. Diejenigen, die dafür verantwortlich sind, dass größere Geschäfte in ihrem Land generell nur mit Schmiergeld laufen können. Nicht nur die gebende, sondern auch die nehmende Hand abhacken. Nachdem das WallStreetJournal am Samstag eine Namensliste des Münchner Gerichts einfach ins Internet gestellt hat, schlafen weltweit einige Leute nicht mehr so gut. Unter der Überschrift „Goldmedaille im Siemens-Skandal“ berichtet z.B. die SZ, in Nigeria seien fünfmal so hohe Beträge als Schmiergelder geflossen als in Russland (und das will was heißen). Der nigerianische Präsident will nun vier ehemaligen Telekommunikations-Ministern und einem Beamten der Einwanderungsbehörde sowie einem Senator an die Wäsche, weil sie rund 10 Milliönchen einkassiert haben sollen. Kein Gesetzesbrecher solle ungeschoren davonkommen, ließ der Präsident drohend verkünden. Zeit wär’s ja…
(cnn)
Donnerstag 31.5.2007
Auch Lothar Pauly stolpert über die Siemens-Korruptionsaffäre.
Obwohl er ja nur ein relativ kurzes Gastspiel als Com-Chef hatte.
Laut FAZ , Focus und DPA-AFX ermittelt die Staatsanwaltschaft nun auch gegen Pauly, der deswegen am Donnerstag seinen jetzigen Posten als Vorstand für den Geschäftskundenbereich T-Systems der Deutschen Telekom niedergelegt hat.
(cnn)
Sonntag 20.5.2007
Heckmann räumt ein, dass die Siemens Altersvorsorge gefährdet sein könnte.
Ralf Heckmann, Gesamtbetriebsratsvorsitzender und Vizeaufsichtsratschef von Siemens räumt in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung ein, dass bei Siemens wegen der drohenden Strafzahlungen als Folge der Korruptionsaffäre sogar die betriebliche Altersvorsorge nicht mehr sicher ist. Wörtlich sagt Heckmann im Interview: "Die Leute haben sogar Angst um Ihre Altersvorsorge. Wird sie wie vereinbart ausgezahlt, oder geht Siemens dann auch da dran?" und auf die Frage der SZ: "Erwarten Sie das?" antwortet Heckmann: "Ausgeschlossen ist nichts".
(wl)
Sonntag 20.5.2007
Korruptionsaffäre: Geht es mittlerweile schon um drei Milliarden Euro?
Focus-Money will aus Justizkreisen erfahren haben, dass sich die im Zusammenhang mit der Siemens-Korruptionsaffäre gefundenen verdächtigen Zahlungen auf mittlerweile drei Milliarden Euro belaufen, davon allein eine Milliarde aus dem Com-Bereich. Bisher war lediglich von 420 Millionen die Rede. Sollte sich das bestätigen, seien weitere erhebliche Bilanzkorrekturen erforderlich.
Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft sollen noch bis zu vier Jahre andauern, Anklage soll in den ersten Verfahren aber bereits Ende 2007 erhoben werden.
Laut Reuters wollte die Staatsanwaltschaft diesen Bericht nicht bestätigen.
(rk)
Mittwoch 16.5.2007
Grüne fordern Auftragsverbot für Siemens
Die bayrischen Landtagsgrünen fordern wegen der Korruptionsaffäre einen Ausschluss des Konzerns von allen öffentlichen Aufträgen sowie die Schaffung eines Anti-Korruptionsregisters. Dieses soll demnach aber nicht nur bei Korruption, sondern auch bei Straftatbeständen im Kontext mit Hungerlöhnen, Steuerhinterziehung und Schwarzarbeit ziehen.
Ob man nicht nach gleichem Strickmuster auch ein Anti-Offshoringregister aufmachen könnte, ebenfalls mit Drohung des Entzugs öffentlicher Aufträge bei Verlagerung von Jobs aus Deutschland in Niedriglohnländer?!
(cnn)
Montag 14.5.2007
Korruption und etwas hilflose Versuche dagegen zu rudern
Ist schon eigenartig, was da so alles abläuft, und wirkt eher panisch-hilflos als professionell. Alles in allem: Jede Menge Show-Aktionismus, man tut ja sooo viel. Aber ob man auch das richtige tut?
(cnn)
Donnerstag 5.4.2007
Erwin Pelzig: Siemens-Affäre im Kabarett.
Die Bayern3-Serie "Erwin Pelzig und seine Freunde" (Erwin, Hartmut und Dr. Göbel) befasste sich mit der Geschichte der Firma Siemens im Allgemeinen und mit der Siemens-Affäre im Besonderen, anzuhören hier:
br-online.de   (mp3, ca. 1,8 MB)
(kd)
Mittwoch 7.2.2007
Korruptionsaffäre: Beraterverträge verboten
Wie die heutige SZ berichtet, hat Kleinfeld sein Versprechen wahrgemacht: Der Vorstand hat am 1.2.07 ein generelles Verbot von vertriebsbezogenen Beraterverträgen verhängt.
(cnn)
Samstag 3.2.2007
Offene Kommunikation, Teil II
Wie erst jetzt bekannt wurde, drohen dem Siemens-Konzern nun auch in den USA Strafen wegen des Korruptionsskandals, und die US-Justiz ist bekannt für Geldstrafen in mitunter astronomischer Höhe. Hintergrund ist, dass nun auch das US-Justizministerium und die Börsenaufsicht SEC sich mit dem Fall beschäftigen und ein Verfahren wegen möglicher Verstöße gegen US-Strafvorschriften geführt wird.
Nun, damit war zu rechnen, deshalb ist das nicht wirklich eine große Überraschung, wenngleich natürlich eine wichtige Information, da es hier um viel Geld gehen dürfte. Die Kritik von Presse, Aktionären und Aufsichtsräten richtet sich denn auch nicht in erster Linie gegen die Tatsache als solche, sondern gegen die Informationspolitik des Hauses Siemens in diesem Zusammenhang: Siemens wurde noch während der Aktionärs-Hauptversammlung über diese Tatsache per Email informiert, gab diese Information aber nicht an die Öffentlichkeit und an die Aktionäre weiter, und in der anschließenden Sitzung des Aufsichtsrates auch noch nicht einmal an diesen, an das eigene Kontrollgremium, wie die SZ vom 3.2.07 berichtet. Erst heute wird mit dieser unangenehmen Neuigkeit endlich herausgerückt.
Diese äußerst zurückhaltende Informationspolitik, gegenüber Aktionären, Aufsichtsrat, Belegschaft und Öffentlichkeit gleichermaßen, zieht sich wie ein roter Faden als DAS Kernproblem durch die jüngere Siemens-Geschichte, hier brauchen wir schleunigst einen fundamentalen Kulturwandel, ein gründliches Umdenken.
Das Siemens-Management hat auf der Hauptversammlung ohnehin eine Menge Vorwürfe aushalten müssen, auf diese eine zusätzliche Negativ-Schlagzeile wäre es nun wahrlich auch nicht mehr angekommen, die zusätzlichen verbalen Schläge deswegen hätten sie gar nicht mehr gespürt; stattdessen schon wieder die Salamitaktik, jede neue Bekanntgabe an einem anderen Tag, so spät wie möglich, fast schon als würden sie sich Sorgen um die Süddeutsche Zeitung machen, dass die eines Tages mal nichts mehr über Siemens schreiben könnte, wenn man die ganze Wahrheit gleich auf einen Happs preisgibt. Schließlich muss man sich ja auch für die morgige Ausgabe der SZ noch etwas aufheben, oder?
Unangenehme Neuigkeiten aus Angst vor öffentlicher Kritik möglichst spät erst herauszulassen, wird auf Dauer auch für das verantwortliche Management selbst zum Eigentor, nicht nur für ihre Firma. Gab es da nicht mal ein "Switch"-Programm, in dem Manager durch zeitweisen Rollentausch (z.B. mit Sozialarbeitern, zuletzt sogar mit Leuten in Gefängnissen...) wertvolle Erfahrungen und andere Sichtweisen kennen lernen sollten? Vielleicht sollte das Siemens-Management ja einmal für eine Woche lang einen solchen "Switch", einen Rollentausch mit einem Journalisten machen; Stoff genug für Schlagzeilen gäbe es ja.
(bt)
Mittwoch 31.1.2007
Korruption: Haben Kleinfeld und von Pierer doch etwas gewusst?
Laut einem Bericht des "Wall Street Journal" hat der ehemalige Siemens-Manager Michael Kutschenreuter bei den Vernehmungen bei der Münchner Staatsanwaltschaft ausgesagt, Kleinfeld und von Pierer seien über einen Bestechungsfall aus dem Jahr 2004 informiert gewesen. Eine saudi-arabische Firma habe Siemens gedroht, der US-Börsenaufsicht SEC Informationen über einen Siemens-Korruptionsfall in Saudi-Arabien zukommen zu lassen, und für ihr Schweigen 910 Millionen Dollar gefordert. Kutschenreuter habe seinen Vorgesetzten Kleinfeld und auch von Pierer über die Forderungen informiert. Man habe sich schließlich auf eine Zahlung von 50 Millionen Dollar geeinigt.
Siemens stellt den Vorgang allerdings anders dar: Es sei um Forderungen wegen entgangener Umsätze gegangen und nicht um Schmiergelder. Kleinfeld und von Pierer hätten zwar von dieser Zahlung gewusst, aber erst Ende 2006 von den Korruptionsfällen erfahren.
(rk)
Quellen: Die Welt    SZ
Dienstag 23.1.2007
Korruptionsaffäre: Der nächste bitte!
Die Frage "Wer ist der nächste?" ist bereits beantwortet: Kleinfeld-Gefolgsmann Joe Kaeser.
Das heutige Wall Street Journal USA berichtet:
"Two key suspects in a fraud investigation roiling Siemens AG..." (gemeint sind Siekaczek und Kutschenreuter, wie dann noch ausgeführt wird) "... have told German prosecutors that CFO Joe Kaeser has known for years about an alleged scheme to pay bribes to win overseas telecommunications contracts, according to witness statements reviewed by The Wall Street Journal".
Und damit sich Joe Kaeser nicht so alleine fühlt, geht’s gleich weiter: "...two other...knew since at least 2005 about the alleged bribes-for-business scheme: ...Rudi Lamprecht and Lothar Pauly... The testimony alleges that bribes took place in Siemens’ wireless-telecom business, and weren’t confined to the fixed-line unit".
(cnn)
Mittwoch 17.1.2007
Korruptionsaffäre: Zentralvorstand wird nur teilweise entlastet / keine Entlastung für Neubürger.
Wohl um zu verhindern dass der Vorstand nicht als ganzes nicht entlastet wird, hat Siemens beschlossen über die Entlastung seiner Vorstände und Aufsichtsräte in der anstehenden Siemens-Aktionärshauptversammlung einzeln abstimmen zu lassen; klar ist bereits jetzt, dass dabei nicht nur Ganswindt, sondern auch ex-Finanzvorstand Neubürger nicht entlastet werden soll.
Etwas vornehmer formuliert heißt das dann, die Entlastung werde "vertagt", aber de facto heißt das: Die Entlastung auf der HV wird verweigert, nun auch von Siemens-Seite.
(cnn)
Freitag 12.1.2007
SZ verliert Prozess gegen Siemens.
Die BILD berichtet, die Süddeutsche Zeitung sei vom Landgericht München verurteilt worden, sie dürfe (unter Androhung einer viertel Million Ordnungsgeld) nicht mehr behaupten, Schmiergelder gehörten zur Siemens-Kultur. Die SZ hatte geschrieben: "...es war ein Teil der Siemens-Kultur. Wer beim Schmieren aufflog, wurde den Strafverfolgern geopfert und mit einer hohen Sonderzahlung ruhiggestellt. Es war ein zynisches Geschäft: Lebenslange Versorgung für die ganze Familie gegen Stillschweigen; die Mafia lässt grüßen".
Das Gericht schloss sich jedoch der Argumentation des Siemens-Anwalts an: "Es geht um nur einen ehemaligen Angestellten, mit dem ein Aufhebungsvertrag geschlossen wurde. Da kann man nicht von Siemens-Kultur reden".
Zur Frage, ob "nur ein ehemaliger Angestellter" beteiligt war, laufen aber natürlich noch diverse Klärungen. Aktuell ermittelt die Staatsanwaltschaft nun auch gegen den früheren Siemens-Finanzvorstand Neubürger, der von geständigen Managern und Siemens-Angestellten schwer belastet wurde; er wurde jedoch nur vernommen, blieb auf freiem Fuß.
(cnn)
Donnerstag 4.1.2007
Hat Siemens gegen das Außenwirtschaftsgesetz verstoßen?
Die Ermittlungen der Nürnberger Staatsanwaltschaft gehen auf einen Bericht der Uno vom November 2005 zurück: 63 deutsche Firmen, darunter die DAX-Unternehmen Linde und Siemens, haben angeblich Schmiergelder an den Ex-Diktator Saddam Hussein gezahlt. Im Fall von Siemens geht es nach Angaben der Staatsanwaltschaft um einen sechsstelligen Betrag. Ermittelt wird nicht nur wegen Korruption sondern auch, ob Siemens gegen das Außenwirtschaftsgesetz verstoßen hat.
Wie die Zuständigkeit der Nürnberger Staatsanwaltschaft schon vermuten lässt, geht es diesmal nicht um Siemens Com sondern um die Bereiche Siemens Medical Solutions, Siemens Power Generation und Siemens Power Transmission and Distribution. Ist Korruption also doch nicht nur ein Com-Problem?
Quelle: www.ftd.de
(rk)
Samstag 23.12.2006
Korruptionsaffäre: Kein Brathendl für Ganswindt,
Die Schlagzeilen überholen sich mal wieder förmlich: Am Mittwoch noch stand in der Zeitung, dass es in den Haftanstalten Erbsensuppe und lecker Brathendl zu Weihnachten gebe, und am Donnerstag war zu lesen, dass Ganswindt aber keines kriegt: Er muss vor Weihnachten wieder raus.
Strafe oder Belohnung?
Wohl eher eine Belohnung, weil er beim Weihnachtssingen der Staatsanwaltschaft so brav mitgemacht hat.
Die von der Staatsanwaltschaft für Freitag angekündigten großartigen Enthüllungen waren dann doch nicht mehr viel überraschender als die sensationelle Schlagzeile, dass T.G. kein Brathendl kriegt.
Der Verdacht hat sich erhärtet, die Vernehmungen seien zunächst abgeschlossen, und nächstes Jahr wird weiter ermittelt. Ah ja.
Nur eine kleingedruckte Zeile fiel noch auf: "Besonders die EMails geben in der Regel darüber Aufschluss, wie Geschäfte wirklich liefen" stellen die Ermittler bei der Durchsicht der beschlagnahmten Daten erfreut fest. Da fällt einem die alte Weisheit ein "Was Du nicht willst dass man Dir tu, das füg auch keinem Andern zu": Wie war das doch gleich wieder mit der Bespitzelung unseres damaligen BR-Vorsitzenden? Das Verfahren wegen dieser unserer Meinung nach rechtswidrigen Datenausspähung wurde ja wegen angeblichem Mangel an öffentlichem Interesse eingestellt; in der Korruptionsaffäre hingegen dürften wir uns über diesen Mangel schwerlich beklagen.
(cnn)
Donnerstag 21.12.2006
Simon Beresford-Wylie bei Siemens Networks
In einem All Hands Meeting zeigte Simon Beresford-Wylie, der künftige NSN-Chef, Solidarität mit Siemens Networks in der schwierigen Situation rund um die Siemens-Korruptionsaffäre, und bemühte sich Ängste vor einem möglichen Platzen des Joint Venture von Nokia und Siemens zu nehmen: Das Joint Venture gehe am 1.3. oder 1.4.07 wie geplant über die Bühne.
Beresford-Wylie machte jedoch auch keinen Hehl daraus, dass er nicht nur wie angekündigt Synergien heben werde, sondern wir uns an Restrukturierung als Dauerzustand im Telekommunikationsgeschäft gewöhnen sollten; im Klartext: Endloser Stellenabbau.
Eduardo Montes bemühte sich auch positive Aspekte am Korruptionsskandal auszumachen: Am Ende des Tages hätten wir dann dafür die sauberste Firma der Welt, und wir sollen unseren Stolz und Kampfgeist bewahren.
Einigen wir uns auf folgende Formel: Wir würden gerne unseren Stolz, unseren Kampfgeist und auch unsere Jobs bewahren.
(bt)
Mittwoch 20.12.2006
Ganswindt geständig.
Die heutige SZ berichtet, Ganswindt habe generelle Kenntnisse über Korruption gegenüber der Staatsanwaltschaft bereits eingestanden, und sei mittlerweile zu einer umfassenden Aussage bereit.
Hoffen wir auf eine baldige und lückenlose Aufklärung. Auch im Interesse von Siemens und seinen Beschäftigten: Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende, diese täglichen Schlagzeilen mit immer wieder neuen Enthüllungen fördern weder das Siemens-Geschäft noch sichern die Arbeitsplätze der Siemensianer.
Schon kursieren wieder Ängste und Gerüchte, Nokia könne sich deswegen doch noch vom NSN-Jointventure mit Siemens zurückziehen; so würden 12.000 gänzlich unschuldige Siemens-Kollegen für die Fehler einiger weniger Manager in Sippenhaft genommen und müssten um ihre Jobs bangen.
(cnn)
Mittwoch 20.12.2006
Von Pierer in die Politik.
Als Reaktion auf die Siemens-Korruptionsaffäre diskutiert die große Koalition, den direkten Wechsel vom Vorstandschef zum Aufsichtsratsvorsitzenden künftig zu verbieten (d.h. der Wechsel bleibt schon noch erlaubt, aber erst nach mehrjähriger Pause).
So hätte von Pierer, wenn er schon nicht Bundespräsident werden konnte, wenigstens indirekt und unfreiwillig doch noch Politik gemacht und auf die Gesetzgebung Einfluss genommen...
(cnn)
Mittwoch 20.12.2006
Erreicht die Affäre die Siemens-Saubermänner?
Sind Vorstände überhaupt dafür zuständig, dass sie wissen, was in Ihrem Unternehmen läuft?
Bereits 2003 soll einer Prüferin die große Menge der hoch dotierten Beraterverträge und Provisionszahlungen verdächtig vorgekommen sein. Vernünftige Erklärungen dafür hätten die Siemens-Fachabteilungen nicht liefern können. Woraufhin sich ein KPMG-Vorstandsmitglied, klar, nicht die Prüferin selbst, denn mit einem Vorstand kann natürlich nur ein Vorstand reden, an den damaligen Siemens-Finanzvorstand Heinz-Joachim Neubürger gewandt hat. Und was macht ein Vorstand mit diesen Informationen? Neubürger hatte dazu gesagt, er habe stets alle Verdachtshinweise "an die entsprechenden Stellen weitergegeben". Dafür gibt es nun mal die Compliance Abteilung. Die zentrale CP-Abteilung ist für "Compliance", also für "ordentliches Verhalten" zuständig. Aber wer ist denn eigentlich für "unordentliches Verhalten" zuständig?
Quelle: www.stern.de
(wl)
Montag 18.12.2006
Korruptionsaffäre: Wer ist der nächste?
Es ist wie in einem spannenden Krimi: Was bringt wohl das nächste Kapitel, und wer ist der Bösewicht, den die SZ als nächstes outet? Im Gegensatz zu "normalen" Krimis ist aber bei Siemens eines von Anfang an klar: Der Gärtner war’s nicht. Eigentlich schade, Siemens sollte dringend einen Gärtner einstellen.
Erste Hinweise, wer der nächste ist, konnten aufmerksame NCI-Leser schon in den InWaChRo-News vom Sonntag lesen: "Politisch aber befreit diese Formulierung weder Pierer, Kleinfeld noch den damaligen Finanzvorstand Heinz-Joachim Neubürger, der seltsamerweise kaum erwähnt wird, von der Verantwortung für den Korruptionsskandal."
Tja, und schon wird er "erwähnt": Neben neuen Enthüllungen über "merkwürdige Beraterverträge" hat die SZ heute den ehemaligen Finanzvorstand Neubürger angeschossen. Er habe sich dafür eingestzt, frühzeitige Hinweise eines "übereifrigen jungen KPMG-Mitarbeiters" auf fragwürdige Zahlungsvorgänge "ignoriert" zu haben, um es noch freundlich zu formulieren. Bald haben wir ja alle top-Manager durch, die mal als potentielle Pierer-Nachfolger gehandelt wurden.
Besonders interessant ist aber das Krisenmanagement, der Umgang von Siemens mit einer solchen Situation und mit der Presse in einer solchen Situation; ein paar Zitate:
"Er arbeitet nicht mehr für uns, wir sind nicht seine Vermittlungsstelle".
"Siemens kann nicht für Herrn Neubürger antworten."
"Wir können nicht für Herrn Neubürger als Vermittler tätig werden."
Siemens kann gar nichts antworten. "Wir können als Unternehmen nicht kommentieren, was Herr Neubürger wann wusste oder nicht wusste."
Und die Krönung: Ob Siemens ihm wenigstens eine SZ-Anfrage zukommen lassen könne? "Uns liegt keine E-Mail-Adresse von ihm vor" (!)
Aber Neubürger habe doch einen Beratervertrag...
"Das wissen wir nicht". Peinlich !!!
(cnn)
Sonntag 17.12.2006
Korruptionsexperte: Aufklärung der Korruptionsaffäre kann Monate dauern.
Wie der von Siemens als Berater engagierte Korruptionsexperte Michael Hershman dem Tagesspiegel sagte, gehe er von langwierigen Untersuchungen aus. "Wir wissen noch gar nicht, wer hier Täter und wer Opfer ist." Er könne "im Moment nicht einmal sagen, welche kriminellen Delikte begangen wurden". Er wisse nur, dass Siemens selbst 420 Millionen Euro in den Bilanzen als zweifelhaft erachtet. "Wochen, vielleicht sogar Monate" könne es dauern, bis er sich einen Überblick über Fakten und Unterlagen verschafft habe.
Mit seinen Empfehlungen wolle er jedoch nicht bis zum Schlussbericht warten, sondern sie abgeben, sobald er bei seinen Untersuchungen auf Schwachstellen bei Siemens stoße.
(rk)
Samstag 16.12.2006
Keine Satire: Siemens-Führungskräfte verbessern im Knast ihr Sozialverhalten.
Aus der SiemensWelt 2/2006:
"switch - die andere Seite" heißt das Programm, das Siemens-Führungskräften die Möglichkeit geben sollte, für eine Woche in einer sozialen Einrichtung Erfahrungen zu sammeln. Die Erfahrungen sollen auch dabei helfen, das Führungsverhalten zu verbessern.
Seit 1999 bietet Siemens dieses Programm seinen Mitarbeitern an, die unter verschiedenen Einrichtungen wählen können: Aidshilfe, Drogenarbeit, Hospizdienst oder Bahnhofsmission, aber auch Projekte, die sich um die Eingliederung ausgegrenzter Gruppen in die Arbeitswelt bemühen. In München hatte man dazu die JVA Stadelheim ausgesucht.
Soziale Kompetenz ist für Führungskräfte besonders wichtig. Eigenschaften wie Kreativität, Innovationsvermögen, Flexibilität sowie Kommunikations- und Teamfähigkeit stehen dabei im Mittelpunkt. Während der Aktionswoche erleben die Switch-Teilnehmer, wie schmal der Grat zwischen Erfolg und Misserfolg sein kann. Sie lernen, sich in Menschen einzufühlen, die mit Lebenskrisen und außergewöhnlichen Herausforderungen umgehen müssen.
Dazu sagt Joe Kaeser, Strategiechef bei Siemens: "Wir brauchen im Unternehmen Menschen, die sich schnell auf neue Situationen einstellen und flexibel agieren können."... "Der intensive Kontakt zwischen Unternehmen und Nonprofitbereichen ist eine hervorragende Möglichkeit für unsere Führungskräfte und Mitarbeiter, sich in die Gesellschaft einzubringen und soziale Verantwortung zu übernehmen."
Soweit das Zitat aus der SiemensWelt.
Jeder, der heute diese Zeilen noch mal liest, wird ganz neue Gedanken dabei haben:
Wenn die Siemens-Top-Manager, die jetzt in Stadelheim, Landsberg und anderswo einsitzen, wieder an ihren Arbeitsplatz zurückkehren sollten, werden sie dann genügend soziale Kompetenz mitbringen?
Werden sie dann in ihrem Job endlich soziale Verantwortung übernehmen?
Wird es dann vorbei sein mit Personalabbau und schamlosen Erhöhungen der Vorstandsbezüge?
Man wird sich auch fragen, warum man damals seit 1999 nicht schon die Richtigen ausgewählt hat.
Wir NCI'ler können es bestätigen: Ausgegrenzt sein, das macht kreativ und erhöht die soziale Kompetenz. 2003 bis 2005 waren wir in dieser Situation, und es war kein Spiel. Damals in der Zielstatt- und Rupert-Mayer-Str. ist das Mitarbeiternetz NCI entstanden.
Wir wünschen unseren Top-Managern, dass es ihnen gelingen möge, ihre Knast-Zeit auch so gut zu nützen! Schaden kann es auf keinen Fall.
(rk)
Freitag 15.12.2006
Korruptionsaffäre: Nokia verschiebt NSN-Jointventure um 3 Monate, will erst die Vereinbarungen ergänzen.
Das für Anfang Januar geplante NSN-Jointventure mit Siemens soll nun doch "so lange aufgeschoben werden, bis die internen Prüfungen der Vorgänge um die schwarzen Kassen abgeschlossen seien", berichtet die heutige SZ unter Berufung auf Nokia.
Oje, wie lange wird das wohl dauern? Gleich wieder Entwarnung: "...Nach eingehender Prüfung der Vorfälle, an der auch Nokia mitarbeiten wolle, soll das Projekt nun voraussichtlich im ersten Quartal 2007 beginnen." Also eine Verschiebung nur um ein Vierteljahr.
Allerdings, so ganz offen und ehrlich erscheint einem diese Mitteilung auch nicht, und das lässt wenig Gutes über die bei NSN zu erwartende Firmenkultur erwarten: In nur 3 Monaten soll schon alles aufgeklärt sein? Zwei Jahre wären da wohl realistischer. Worum also geht es in Wirklichkeit, was ist es, das in den nächsten 3 Monaten geschehen soll?
Die 3 Monate sind dann erklärlich, wenn es auch Nokia in Wirklichkeit weniger um Aufklärung als um Absicherung seiner Interessen, um eine entsprechende Ergänzung in der Joint-Venture-Vereinbarung geht: Noch vor dem Closing soll eine "auf den Ergebnissen und Konsequenzen der Compliance-Überprüfung bei Siemens aufbauende Vereinbarung getroffen werden", d.h. Nokia will sich verständlicherweise absichern, dass wegen der Korruptionsaffäre möglicherweise anrollende Strafzahlungen von Siemens, nicht von NSN getragen werden.
So eine Zusatzvereinbarung abzuschließen, das geht natürlich in 3 Monaten; aber stattdessen von lückenloser Aufklärung zu reden, liest sich natürlich gleich viel edler. An der ehrlichen Kommunikation werden wir wohl noch üben müssen, nicht nur bei Siemens sondern auch bei Nokia.
(cnn)
Freitag 15.12.2006
Korruptionsaffäre: IGM stellt sich vor Heinrich von Pierer.
Während in der Belegschaft schon Wetten abgeschlossen werden, wer wohl die nächste Siemens-Aktionärs-Hauptversammlung eröffnen wird (darüber, wer sie NICHT eröffnet, wird schon gar nicht mehr gewettet.), fühlte sich der zweite IGM-Vorsitzende Berthold Huber bemüßigt, gegenüber dem Berliner Tagesspiegel zu erklären, er sehe weder Rücktrittsgründe für Kleinfeld, noch für von Pierer (!).
Nachzulesen im IGM-Siemens-Dialog vom 14.12. ("Keine Rücktrittsgründe"); dazu fällt einem nichts mehr ein.
(cnn)
Donnerstag 14.12.2006
Korruptionsaffäre: Kaum Mitgefühl für Ganswindt.
Außenstehende mögen sich vielleicht wundern, warum Thomas Ganswindt so wenig kollegiales Mitgefühl erfährt; um das zu verstehen, muss man die Hintergründe kennen.
Ganswindt hadert nicht erst seit der Korruptionsaffäre mit unseren Gesetzen, nur drehte es sich bisher "nur" um Verstöße der Firma Siemens gegen geltendes Arbeitsrecht (mit rechtswidrigen Kündigungen) und noch nicht um’s Strafrecht. Steuerhinterziehung wird nunmal ganz anders geahndet, als wenn jemand "nur" seine Kollegen um ihre Jobs, um die Basis ihrer bürgerlichen Existenz bringt.
Thomas Ganswindt haben die meisten Siemensianer primär als knallharten Sanierer erfahren, und zwar einen von der Sorte, die unter Sanierung primär Personalabbau versteht. Mitgefühl für ihn ist da genauso wenig zu erwarten, wie er selber bisher welches für seine Mitarbeiter zeigte; bei vielen ehemaligen Siemens-Kollegen, die durch ihn ihre Jobs verloren haben, ist sogar eine gewisse Genugtuung nicht zu übersehen.
(cnn)
Donnerstag 14.12.2006
Korruptionsaffäre: Siemens kommt nicht aus den Schlagzeilen.
Bei aller vielleicht bei dem einen oder anderen vorhandenen persönlichen Schadenfreude, die Korruptionsaffäre schadet leider auch uns allen, der Sicherheit unserer Arbeitsplätze. Die SZ vom 14.12. schreibt dazu: "Die meisten dieser Mitarbeiter geben ihr Bestes zum Wohle des Unternehmens, einige arbeiten mit unlauteren Mitteln - und ruinieren den Ruf des ganzen Konzerns."
Die SZ spricht recht treffend von einer "ölfleckartigen Ausbreitung des Tatbestands"; die Siemens-Spitze versuche, die Dynamik zu drosseln mit der Technik eines schleudernden Rallye-Fahrers, der gleichzeitig bremst und Gas gibt. Ein schöner Vergleich.
Interessante Zusammenhänge gibt’s nicht nur Siemens-intern, sondern auch in Form von Querbeziehungen zum Mannesmann-Verfahren; bekanntlich ist Deutsche-Bank-Chef Ackermann ja auch im Siemens-Aufsichtsrat kein Fremder. Nun haben sich nach Ganswindt auch noch Kleinfeld und von Pierer vorbeugend prominente Strafverteidiger angeheuert: Kleinfeld verpflichtete Anwalt Volk, der im Mannesmann-Verfahren Ackermann vertrat, und von Pierer verpflichtete Anwalt Thomas, der im gleichen Verfahren Klaus Esser verteidigte.
Mehrere Aufsichtsräte fordern den Rücktritt von Pierers als Aufsichtsratsvorsitzender; dabei wird ihm noch nicht Mitwisserschaft unterstellt, aber zum einen der bekannte Interessenkonflikt, zum anderen aber dass sein Kontrollsystem nur "Provinzniveau" gehabt habe: Es sei ihm nicht gelungen, ein funktionierendes Kontrollsystem aufzubauen.
Das dürfte sich ändern: Die nun eingesetzten externen Prüfer, so wurde nochmals bestätigt, haben einen weder vom Umfang noch zeitlich beschränkten Ermittlungsauftrag, und sie werden auch nicht nur Com, sondern den gesamten Konzern durchleuchten.
Die SZ fordert weitreichende Konsequenzen:
"Sichtbar werden nicht Verfehlungen Einzelner, sondern die Auswüchse eines Systems krimineller Energie, wie es einem Weltunternehmen unwürdig ist", die ganze Unternehmenskultur müsse sich ändern.
Und fordert, dass alle gehen sollen, die für diese Unternehmenskultur Verantwortung tragen, "das ist zunächst und vor allem Heinrich von Pierer". Dabei bleibt’s aber nicht: "Jeder muss gehen. Das gilt am Ende womöglich auch für den heutigen Vorstandschef Klaus Kleinfeld. Nur wenn eine gründliche personelle Erneuerung stattfindet, wird Siemens aus der Krise kommen. Das Unternehmen ist es seinen Mitarbeitern schuldig, seinen Aktionären - und allen Akteuren der Wirtschaft, die vom öffentlichen Verfall der unternehmerischen Glaubwürdigkeit ebenfalls betroffen sind.
Die alte Siemens AG ist tot. Die neue ist noch nicht geboren."
(cnn)
Dienstag 12.12.2006
Korruptionsaffäre: Thomas Ganswindt sitzt in Untersuchungshaft.
Wie ein Sprecher des bayerischen Justizministeriums bestätigte, wurde der ehemalige Zentralvorstand und Com-Chef verhaftet und sitzt z.Z. in der JVA Landsberg a. Lech. Ein anderer Beschuldigter habe ausgesagt, Ganswindt sei schon vor 2004 über das Schmiergeldsystem bei Com informiert gewesen und habe trotzdem nichts dagegen unternommen.
(rk)
Dienstag 12.12.2006
Korruptionsaffäre hat noch größere Ausmaße.
Siemens-Finanzchef Joe Kaeser gab auf einer Pressekonferenz zu, dass "fragwürdige Zahlungen" von insgesamt 420 Mio. Euro festgestellt wurden. Die deshalb nun fälligen Steuernachzahlungen reduzieren den Konzerngewinn zunächst um 168 Mio. Euro. Strafen und Schadensersatzforderungen können noch hinzu kommen.
Der Vorsitzende des Aufsichtsrat Heinrich von Pierer wies Forderungen nach personellen Konsequenzen zurück. "Wenn man jedes Mal eine politische Verantwortung konstruieren würde, hätten wir alle paar Monate einen neuen Vorstand." Man fragt sich nun, mit was für einem Skandal rechnet von Pierer als nächstes?
(rk)
Dienstag 12.12.2006
Korruptionsaffäre: Keine zeitliche Einschränkung für die Ermittler vorgegeben.
Der Aufsichtsrat hat wie erwartet und erhofft nun endlich konsequente Maßnahmen beschlossen:
Die Anwaltskanzlei Debevoise&Plimpton wurde mit der unabhängigen Überprüfung des internen Kontroll-Regelwerks beauftragt. Zudem beruft Siemens den Anti-Korruptionsexperten Michael Hershman zum Berater; er ist Mitbegründer von Transparency International (und war auch leitendes Mitglied im Watergate-Ausschuss), mit diesem Schritt soll sicherlich den Rausschmiss-Drohungen gegen Siemens begegnet werden. Auch die Compliance-Abteilung bekommt einen neuen Leiter, einen Oberstaatsanwalt mit langjähriger Wirtschaftskriminalitäts-Erfahrung.
Besonders wichtig ist unseres Erachtens, dass es dem freien Ermessen der Prüfer überlassen bleibt, wie weit zurück die Untersuchungen reichen sollen; das heißt, sie können auch Vorgänge untersuchen, die weit in die Amtszeit des vorherigen Vorstandschef von Pierer reichen.
All das sieht nach entschlossenem und konsequentem Handeln aus, jedoch noch immer mit einer großen Lücke; genau genommen hat sie exakt die Größe Heinrich von Pierers. Von Pierer, der in seinem Buch "zwischen Profit und Moral" schrieb "Ein Unternehmen sollte ganz einfach deshalb moralisch handeln, weil sich unmoralisches Handeln nicht lohnt", war seinerzeit ZV-Vorsitzender und ist nach wie vor Aufsichtsratsvorsitzender; ein heikler Interessenkonflikt, denn er müsste sich als "Chef-Aufklärer" möglicherweise selbst belasten. Schließlich bleibt die Hoheit über die Unternehmenskontrolle und damit auch über den Einsatz der Wirtschaftsprüfer weiterhin beim Aufsichtsrat unter seiner Führung, und auch dem fünfköpfigen Prüfungsausschuss des Gremiums gehört er weiter an. Sollte sich von Pierer nicht ohnehin vorher entscheiden, den deshalb nun immer lauter werdenden Rücktrittsforderungen nachzukommen, dürfte die nächste SAG-Hauptversammlung reichlich unangenehm für ihn werden.
(cnn)
Montag 11.12.2006
Korruptionsaffäre: Auf den richtigen Betrachtungs-Zeitraum kommt es an.
Heute wird der Aufsichtsrat voraussichtlich beschließen, unabhängige Wirtschaftsprüfer mit der Aufklärung der Vorgänge bei Siemens zu beauftragen. Entscheidend wird dabei aber der Zeitraum sein: Wird der Aufsichtsrat, obwohl unter Leitung von Heinrich von Pierer, einen Aufklärungszeitraum beschließen, der so weit zurückreicht, dass er auch Vorgänge aus der Zeit Heinrich von Pierers als Zentralvorstandsvorsitzendem aufdeckt?
Oder wird diese Doppelrolle "erst ZV-Vorsitzender, dann Aufsichtsrats-Chef" genau dies verhindern?
Eine weitere Nagelprobe der Glaubwürdigkeit.
Entwarnung gibt übrigens die SZ vom 11.12.06 bzgl. eines möglichen Nokia-Rückziehers vom NSN-Deal: "Derzeit will Nokia am geplanten Telekom-Joint-Venture mit Siemens festhalten. Die Integration gehe weiter, sagte eine Sprecherin" berichtet die Süddeutsche Zeitung.
(cnn)
Samstag 9.12.2006
Korruptionsaffäre: Analysten befürchten negative Auswirkungen auf die mittelfristige Geschäftsentwicklung von Siemens.
Mit Michael Kutschenreuter packt nun endlich auch die zentrale Figur im Siemens-Korruptionsskandal umfassend aus. Fast schon etwas nach Zynismus klingt dabei das Anwalts-Statement "unser Mandant orientiert sich an den Vorgaben des Vorstandsvorsitzenden Kleinfeld, der eine schonungslose Aufklärung gefordert und angekündigt hat". Ein ehemaliger Zentralvorstand, der bereits schwer belastet wurde, hat sich denn auch schon mal sicherheitshalber einen prominenten Strafverteidiger verpflichtet.
Transparency International ist nun auch schon einen Schritt weiter, von der Drohung zur Handlung: TI will sich nun definitiv von Siemens trennen, es gehe nur noch darum ob Siemens freiwillig austritt oder sich lieber ausschließen lassen möchte.
Und wie sehen’s die Analysten? Die sagen eine Berg-und-Talfahrt voraus. 2007 werden sich schon eingegangene Aufträge in Umsätze verwandeln, das daraus resultierende Ergebniswachstum führt zu Kursprognosen deutlich über 80 Euro; danach allerdings wird wieder ein Kursrückgang prognostiziert, weil sich der weitere Auftragseingang zurückentwickeln werde, wenn Siemens nicht mehr schmiert.
Vornehmer ausgedrückt heißt das dann (Zitat eines Analysten vom Bankhaus Merck Finck): "Sollte Siemens bei der Akquise von Aufträgen vorsichtiger sein, werde sich das zunächst im Auftragseingang bemerkbar machen." Ein entlarvendes Statement und eine verlogene Formulierung.
(cnn)
Donnerstag 7.12.2006
Siemens droht ein Ausschluss aus der Antikorruptionsorganisation Transparency International.
TI will keine Mitglieder dulden, die aktiv Korruption betreiben: "Unsere Partner in der Wirtschaft sollen Leuchttürme der Korruptionsbekämpfung sein." (Transparency-Vorstand Peter von Blomberg ) TI hat Siemens eine Frist gesetzt, in der die Firma längst fällige Informationen zu den aktuellen Korruptionsvorwürfen nachliefern soll. Die Mitgliedschaft von Siemens bei Transparency International ruht wegen eines früheren Korruptionsfalls in Italien bereits seit Mitte 2004.
Ein Ausschluss aus Transparency könnte für Siemens erhebliche Wettbewerbsnachteile insbesondere auf dem US-Markt haben.
Quellen: www.handelsblatt.com     www.tagesspiegel.de
(rk)
Sonntag 3.12.2006
Siemens-Buchprüfer KPMG durchsucht.
Laut "Focus" hat die Staatsanwaltschaft München am 17. November die KPMG-Firmenräume, dem Siemens-Buchprüfer, in München durchsucht. KPMG sei möglicherweise bei Prüfungen von Geldströmen mehrfach auf Ungereimtheiten gestoßen und habe diese gemeldet.
Wirtschaftsprüfer sind verpflichtet, ihre Kunden in den geprüften Unternehmen auf Unregelmäßigkeiten hinzuweisen und dies mit den Managern zu diskutieren.
Aber was passiert dann? Diskutieren alleine reicht nicht. Wer trägt die Verantwortung?
Quelle: www.ksta.de
(wl)
Donnerstag 30.11.2006
Innerbetriebliche Korruptionsbekämpfung?
Wichtig ist nicht nur, dass Korruption verhindert wird, sondern auch, wie damit umgegangen wird, wenn sie doch mal vorkommt und entdeckt wird. Wie richtig und wichtig dafür die Einsetzung eines firmenexternen Ombudsmanns war, dokumentiert eine Schlagzeile der SZ vom 30.11.:
Demnach sind (ähnlich wie beim aktuellen Com-Skandal) auch bei SBS in Norwegen unsaubere Geschäftsmethoden erst durch einen anonymen Hinweis hochgekommen. Ein norwegischer SBS-Mitarbeiter hatte in einem anonymen Schreiben an die Siemens-Konzernzentrale in Deutschland auf Missstände hingewiesen, aber statt "danke" zu sagen, die Missstände abzustellen und die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen, landete der Vorgang wieder in Norwegen, wo der "Maulwurf", wie er plötzlich hieß, identifiziert und unter einem Vorwand gefeuert wurde.
Das war keine so gute Idee: Der ging daraufhin zu einer Zeitung, und nun geht's natürlich erst richtig rund.
Diese Geschichte erzählt nicht nur von Korruption, sondern auch davon, was einem passieren kann, wenn man solche Vorfälle firmenintern aufdeckt. Hoffen wir, dass dies mit einem externen Ombudsmann wie Hrn.Jordan nun nicht mehr passieren kann, und künftig im positiven Sinne gilt: "Wer Korruption aufdeckt, geht über den Jordan".
(cnn)
Montag 27.11.2006
Korruption schadet der Volkswirtschaft.
Korruption findet statt, weil sich beide Seiten einen Vorteil davon versprechen: Der Bestechende will den Auftrag und der Bestochene das Geld für die eigene Tasche.
Der Schaden, den Korruption anrichtet, ist aber enorm, insbesondere für die zumeist betroffenen Volkswirtschaften in Afrika, Asien, Osteuropa und Lateinamerika. Bestechung verhindert nachhaltige Bekämpfung der Armut, Aufbau der Gesundheitsversorgung und eines Erziehungssystems. Korruption fördert die organisierte Kriminalität, unterminiert die Demokratie und behindert wirtschaftliches Wachstum. Alles was Entwicklungshilfe aus westlichen Ländern aufzubauen versucht, wird durch Korruption von Firmen z.T. aus den selben Ländern wieder zunichte gemacht.
Die Auftraggeber zahlen mehr für ein schlechteres Produkt. Nach Angaben der Vereinten Nationen kommen Investitionen in korrupten Staaten um 20 Prozent teurer. Und die Weltbank hat berechnet, dass durchschnittlich jeder Mensch rund 7% seiner Arbeitsleistung für Korruptionsschäden aufbringen muss.
Aber sogar der schmierende Auftragnehmer hat Nachteile: Statt in Innovationen zu investieren, subventioniert er mit den Bestechungsgeldern u.U. nicht konkurrenzfähige Produkte. Werden Korruptionsfälle bekannt, erleiden die darin verwickelten Firmen erhebliche Imageverluste, und das über Jahre.
Quellen:   www.taz.de www.sueddeutsche.de wikipedia
(rk)
Montag 27.11.2006
Korruptionsaffäre: Den Bock zum Gärtner gemacht?
Wie die Süddeutsche Zeitung erfahren hat, könnte auch die Anti-Korruptionsabteilung des Unternehmens in die Sache verwickelt sein. Gegenüber der Staatsanwaltschaft hat einer der Beschuldigten ausgesagt, dass auch zwei Führungskräfte aus der Abteilung Compliance von den schwarzen Kassen gewusst und versucht haben, sie zu vertuschen.
Die so genannte Abteilung Compliance hat bei Siemens die Aufgabe, Gesetzesverstöße zu verhindern oder zumindest abzustellen. Zu ihren zentralen Aufgaben gehört der Kampf gegen die Korruption. Sie scheinen ihre Aufgabe gründlich missverstanden zu haben, oder wir?
Quelle:   www.sueddeutsche.de
(rk)
Samstag 25.11.2006
Korruptionsaffäre: Agieren statt reagieren!
Wenn wir zur Einführung eines Ombudsmannes geschrieben haben "Siemens hat schnell reagiert", so stimmt das nur teilweise: Siemens hat tatsächlich schnell reagiert, aber wie üblich mal wieder nur re-agiert statt zu agieren.
Kleinfeld wusste schon seit Mitte Januar über sein "Schweiz-Problem", aber das konnte ihn noch nicht zur Einsetzung eines Ombudsmanns veranlassen, das hat erst der öffentliche Druck geschafft. Genauso wie erst der durch die BenQ-Pleite verursachte öffentliche Druck es geschafft hat, einen Ausverkauf der Enterprise-Sparte an einen Heuschreck zu verhindern.
Siemens tut immer wieder genau das, was Heinrich von Pierer stets dementiert hat: Es reagiert nur auf öffentlichen Druck. Nun, dafür lässt sich ja sorgen, aber schöner wäre es doch, wenn das Siemens-Management mal auch von selber wüsste, was es zu tun hat. Oder will jemand ernsthaft behaupten, dass die pingeligen Siemens-Kaufleute einen dicken Brocken von 200 Millionen schlicht übersehen haben könnten?
Wer nun aber nur die erwischten Bestecher verurteilt, bleibt auf halbem Weg stehen und begnügt sich damit, an den Symptomen herumzudoktern: Jetzt sollten wir uns mal alle, die dieses System geschaffen haben, in dem man ohne dieses "Doping für's Geschäft" nicht mehr auskommt, vornehmen.
Das upper-Management fordert, aggressiv um lukrative Aufträge und Märkte zu kämpfen, angeblich offene Märkte sind aber nur dem offen, der gut schmiert, deshalb kommen Vertriebsleute in Druck und wissen sich nicht mehr anders zu helfen als eben zu schmieren, und am Ende des Tages sind sie die einzigen Angeschmierten. Jetzt wird es Zeit, auch diejenigen Sportsfreunde anzugehen, die sagen: Du kommst hier nicht rein, außer Du schmierst mich. Italien liegt definitiv in Westeuropa, nicht in Nigeria.
Das soll nicht von den Vergehen von Siemens-Managern ablenken, aber wir dürfen nicht dabei stehen bleiben, nur diese paar Sündenböcke zu verknacken, wir müssen auch das System dahinter knacken. Damit es in Zukunft nicht mehr heißt: Korrupt ist nur, wer sich dabei erwischen lässt.
Das aber kann eine einzelne Firma gar nicht leisten, Korruption ist ein globales Problem, das sich nur durch einen globalen Anti-Korruptionspakt lösen lässt. Aber fangen wir mal vor der eigenen Haustür an: Im jüngsten Bestechungsindex der Organisation Transparency International aus dem Jahr 2002 belegte Deutschland unter den 21 führenden Exportnationen nur einen Platz im Mittelfeld. Peter von Blomberg von Transparency International schlägt vor, die Bewerber für bestimmte Aufträge einen "Integritätspakt" schließen zu lassen. In dem Pakt, der Teil der Ausschreibung sein sollte, sollten sich die Bewerber verpflichten, auf Korruption zu verzichten. Dabei bliebe es aber nicht nur bei einem schönen Blatt Papier: Sie müssten ihre Angebote von Dritten durchleuchten lassen und bei Verfehlungen hohe Strafen akzeptieren.
Georg Nassauer, der Betriebsratsvorsitzende des in Gründung befindlichen Joint-Ventures Nokia-Siemens hat deshalb verlangt: "In Ländern, in denen Geschäfte nur durch Zahlungen von Schmiergeld möglich sind, darf sich Siemens nicht engagieren." (www.taz.de) Das Problem ist nur: Dann können wir höchstens noch in zwei oder drei Ländern dieser Welt Geschäfte machen.
Auch Siemens-Manager argumentieren so: "Die Amerikaner setzen ihre Nachrichtendienste ein, um Aufträge zu bekommen, die Franzosen schalten ihre Botschaften ein - und was machen wir?" kommentiert einer in der SZ; und das eigentliche Problem daran ist, dass er damit leider recht hat.
Die Lösung sieht sicher anders aus: An die Stelle edel klingender Absichtserklärungen muss ein konsequent umgesetztes System von Kontrolle und Strafe treten, das nicht nur den erwischten Vertriebsmitarbeiter bestraft, sondern auch das Unternehmen, für das er bestochen hat, zu wirklich empfindlichen Strafen verurteilt. Und das weltweit, sonst kann es gar nicht funktionieren. Wie mit der roten Ampel: Nur wenn Ampelanlagen auch mal überwacht werden und Rotlichtsünder ihren Führerschein abgeben müssen, wird die rote Ampel auch respektiert, nicht nur indem jeder Autofahrer ein Papier unterschreibt "ich werde mich stets an die Verkehrsregeln halten".
Denn Papier ist geduldig. Wie geduldig, das mussten wir schon im Januar 2003 erfahren, als sich angesichts der offensichtlich rechtswidrigen Massenentlassungen in der Münchner Hofmannstraße Hunderte von Mitarbeitern über den sehr speziellen Umgang ihres Chefs T. Ganswindt mit seinen eigenen "Business Conduct Guidelines" wunderten. Anderes Thema, gleiche Denke. Ja, derselbe T.Ganswindt, der laut Aussage eines inhaftierten Siemensianers über die Schwarzgelder und die weltweite Korruption Bescheid wusste.
Es ist verblüffend, wie in solchen Situationen mit Wortkreationen jongliert wird: Schmiergelder heißen plötzlich "Provisionen", "Beatmen der Kundschaft", "nützliche Aufwendungen" (abgekürzt "NA", wir Siemensianer lieben Abkürzungen; NA konnten übrigens bis 1998 noch von der Steuer abgesetzt werden), oder vielleicht zur Abwechslung auch mal "Beraterverträge"? Das würde natürlich alles ändern, gell?
Nun, der nächste Stellenabbau (z.B. bei NSN) kommt bestimmt, vielleicht sollten wir uns das mal vormerken: Künftig verlangen wir bei Angeboten für freiwillige Trennungen auch keine Abfindungen mehr, sondern "Provisionen", da kann man gleich noch eine Null hinten anfügen.
(cnn / rk)
Samstag 25.11.2006
Siemens versinkt im Korrumptionssumpf.
Für das Hamburger Abendblatt sind die bisherigen Ermittlungsergebnisse nur die Spitze des Eisbergs: "200 Millionen Euro Schwarzgeld, Bandenbildung, ein ehemaliges Vorstandsmitglied in Haft - kann es noch schlimmer kommen für Siemens? Wie es scheint ja."
Jeden Tag treten neue Details der Korruptionsaffäre zutage: Scheinunternehmen in der Karibik, an die fingierte Rechnungen bezahlt wurden; Schwarzgeldkonten in Innsbruck, Bestechungsverdacht in Italien, Syrien, Ungarn, Russland, Nigeria und Griechenland. Der Leitende Oberstaatsanwalt Christian Schmidt-Sommerfeld spricht von einer Bande, die Geld zum Nachteil der Firma Siemens veruntreut habe.
Die Antikorruptionsorganisation Transparency International (TI) bezeichnet den Fall Siemens als "einmaligen" Vorgang. Die Kernfrage lautet: Haben die sechs verhafteten aktuellen und früheren Mitarbeiter sich zulasten des Konzerns aus schwarzen Kassen bereichert, oder wurden sie von der Unternehmensspitze ermuntert, mit dem Geld Aufträge im Ausland zu gewinnen? Selbst wenn die erste Annahme zutreffe, stimme es bedenklich, dass die Machenschaften nicht intern aufgedeckt worden seien, sagt der stellvertretende TI-Vorsitzende Peter von Blomberg.
Den krisengeplagten Siemens-Chef Klaus Kleinfeld, dessen Vorstandsbüro ebenfalls durchsucht wurde, betrachtet die Staatsanwaltschaft derzeit als Zeugen. Allerdings mehren sich die Stimmen, die sein Unwissen bezweifeln - schließlich war er 2004 als Zentralvorstand für die Kommunikationssparte verantwortlich...
Quelle: www.abendblatt.de
(rk)
Freitag 24.11.2006
"Siemens-Affäre erreicht Aufsichtsrat"
Wie die Financial Times Deutschland (FTD) meldet, fordern Aktionärsschützer jetzt den Rücktritt von Pierers, falls er von den schwarzen Kassen gewusst haben sollte. Und der Fraktionschef der bayerischen SPD im Landtag, Franz Maget, sagte, er könne sich "nicht vorstellen, dass Handlungen in dieser Dimension ohne das Wissen des Konzernvorstands passiert sind".
Quelle: www.ftd.de
(intr)
Montag 20.11.2006
Schnell reagiert.
Diesmal hat Siemens schnell reagiert: Die Forderung, nach Vorbild von Bahn und VW auch bei Siemens einen Ombudsmann gegen Korruption einzusetzen, wird umgesetzt. Rechtsanwalt Hans-Otto Jordan soll aus der Belegschaft und von Geschäftspartnern vertrauliche Hinweise auf Bestechung und andere Delikte entgegennehmen.
Falls übrigens nun niemand mehr Interesse an den "schmutzigen" Millionen auf Schweizer Bankkonten haben sollte, dazu fällt uns bestimmt was ein. Zum Beispiel die BenQ-Kollegen könnten das Geld sicher gut brauchen.
(cnn)
Montag 20.11.2006
Und die Moral von der Geschicht’...
Schon wieder ein Korruptionsskandal bei Siemens, na und, ist doch nichts neues und wenn man in gewissen Ländern verkaufen will, muss man es halt machen, jeder weiß es, also was soll’s. Hauptsache das Geschäft brummt und wir wachsen doppelt so schnell wie die Weltwirtschaft. *)
Wie viele Manager denken schon so und wo würden wir enden, wenn alle so dächten? Die nächste Stufe des Werteverfalls wäre dann wohl die Selbstbereicherung: wenn man schon "zum Wohle der Firma" besticht, dann kann ruhig auch etwas an der gebenden Hand kleben bleiben.
Haben wir nur noch die Wahl zwischen Profit oder Moral? Nein, wir können beides vereinbaren. Die Wirtschaft ist kein Nullsummenspiel, wo man nur gewinnt, wenn man jemanden was abjagt (z.B. durch Korruption). Es gibt genügend saubere win-win Geschäfte, wo sich alle Partner über ihren Gewinn ruhigen Gewissens freuen dürfen.
Aber für solche Geschäfte braucht es Spitzenmanager oder noch besser echte Unternehmer. Um ein Unternehmen zu führen, reicht es eben nicht ein Controller oder Portfolio Manager zu sein! Ein Manager der nur den Barwert der Firma als Maßstab aller Dinge akzeptiert und die Firmenwerte nicht versteht und lebt, kann sich mit der Firma auch nicht identifizieren. Er strebt nur nach dem finanziellen "Erfolg" und ist am Ende auch für Korruption und Bereicherung anfällig.
Brauchen wir also eine neue Wertedebatte in unserer Firma? Nein, wir müssen nur unsere ursprünglichen und bewährten Siemens-Werte wieder leben und zu Geltung bringen! Wir brauchen Manager die mehr als nur Geldzählen können. Und wir, die Mitarbeiter müssen versuchen beides in unserem ureigenem Interesse durchzusetzen, denn die Manager und die share holder werden als Erste das sinkende Schiff verlassen, wenn der Ruf der Firma endgültig ruiniert ist!
(intr)
*) Wer mehr über den Ausmaß der Korruption in Deutschland und Weltweit erfahren möchte und wie man sie bekämpfen kann, schaut bei Transparency International herein.
Freitag 17.11.2006
Razzia bei Siemens: Erstmals Namen genannt.
Kutschenreuter und Mattes stehen heute in den Schlagzeilen, aber freuen dürften sie sich kaum darüber.
Fast könnte Klaus Kleinfeld einem schon leid tun. Aber nur fast... Es prasselt schon knüppeldick in kurzer Zeit auf ihn hernieder. Zufall? Oder besteht vielleicht doch ein direkter Zusammenhang mit all diesen jüngsten Siemens-Schlagzeilen?
Ohne Korruption auch nur im geringsten beschönigen zu wollen: Es ist sicherlich keine neue Erkenntnis, dass in gewissen Regionen der Welt keine Geschäfte ohne halbseidene Zahlungen möglich sind; ist es da wirklich Zufall, dass gerade zu diesem Zeitpunkt gegen Siemens deswegen ermittelt wird?
Nicht missverstehen: Dass die Staatsanwaltschaft gegen Korruption konsequent vorgeht, ist selbstverständlich zu begrüßen. Aber die fraglichen Vorgänge liegen tlw. schon Jahre zurück; warum also erst jetzt, gerade jetzt, ist dieses Timing wirklich nur Zufall? Oder soll hier gezielt, übergreifend und offensiv die Message transportiert werden: "Ihr müsst mal dringend über Eure Geschäftsmoral nachdenken"?
Peinlicherweise liegt der Fokus der neuesten Korruptionsaffäre ja bei den Festnetzen (Com); so rechte Schadenfreude kann da eigentlich gar nicht aufkommen, denn die Öffentlichkeit neigt bekanntlich nicht zum Differenzieren: Da leidet ganz schnell das Image aller über 400.000 Siemensianer, und erst recht der Com-Mitarbeiter, die für sowas von der öffentlichen Meinung ganz schnell in Sippenhaft genommen werden: "Aja, diese Siemensianer wieder". Sowas schadet nicht nur dem einen oder anderen unbeliebten Manager, sondern dummerweise uns allen, letztlich kann es sogar Arbeitsplätze gefährden.
Wichtig ist nun eine schnelle und vor allem sachliche Aufklärung; wichtig ist, dass solche Dinge nicht unter den Teppich gekehrt oder verharmlost werden; wichtig ist auch sich darüber Gedanken zu machen, wie man solche Vorgänge künftig unterbinden kann. Die SZ regt z.B. die Einrichtung von Ombudsleuten an, anstatt sich auf die bloße Existenz eines Papiers namens "Business Conduct Guidelines" zu verlassen, das die Führungskräfte treubrav jährlich unterschreiben ohne es richtig durchgelesen zu haben.
Auf keinen Fall aber reicht es aus, nun mit den verhafteten Managern ein (wenn auch hochrangiges) Bauernopfer gefunden zu haben und die ganze Sache damit bereits als gelöst zu erklären. Dieses Korruptionsproblem ist nicht nur einfach durch zwei Manager verursacht, und daher auch nicht dadurch zu lösen, dass man diese nun austauscht und bestraft. Um das Korruptionsproblem in den Griff zu kriegen, dazu gehört mehr als nur die Spitze des Eisberges zu kappen.
(cnn)